Mandantenbrief Juli 2018
Lucius Annaeus Seneca; 4 v. Chr. - 65 n. Chr., römischer Philosoph
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen
Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz- oder
Gewerbesteuer zu Steuernachforderungen oder Steuererstattungen, sind diese per
Gesetz zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres,
in dem die Steuer entstanden ist. Für nachzuzahlende oder zu erstattende
Steuer betragen die Zinsen für jeden vollen Monat 0,5 %, im Jahr also 6
%.
Die Verzinsung ist unabhängig von einem Verschulden des Finanzamts oder
des Steuerpflichtigen. Zweck der Regelungen ist es, einen Ausgleich dafür
zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen
Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Mithilfe der sog. Vollverzinsung
sollen Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus
dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheides objektiv oder typischerweise
entstanden sind, ausgeglichen werden. Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung
vereinnahmte der Fiskus im Bereich der Zinsen in den letzten Jahren mehr als
2 Mrd. €.
Nunmehr zweifelt der Bundesfinanzhof (BFH) an der Verfassungsmäßigkeit
von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015.
Mit Beschluss vom 25.4.2018 gewährte er daher in einem summarischen Verfahren
Aussetzung der Vollziehung. Nach seiner Auffassung bestehen im Hinblick auf
die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz
überschreitet den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität
erheblich, da sich zwischenzeitlich ein niedriges Marktzinsniveau strukturell
und nachhaltig verfestigt hat.
Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe besteht
bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Aufgrund der auf moderner
Datenverarbeitungstechnik gestützten Automation in der Steuerverwaltung
könnten Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung
einer Anpassung der seit dem Jahr 1961 unveränderten Zinshöhe an den
jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs
nicht mehr entgegenstehen. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe
wirkt in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser
Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.
Eine Schelte geht auch an den Gesetzgeber. Dieser ist im Übrigen von Verfassungs
wegen gehalten zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung
des in der Abgabenordnung (AO) geregelten Zinssatzes auch bei dauerhafter Verfestigung
des Niedrigzinsniveaus aufrechtzuerhalten ist oder die Zinshöhe angepasst
werden muss. Das hätte er zwar selbst auch erkannt, aber gleichwohl bis
heute nichts getan, obwohl er vergleichbare Zinsregelungen in der AO und im
Handelsgesetzbuch dahin gehend geändert hat.
Rückabwicklung von Bauträgerfällen mit Erstattungszinsen
In seiner Entscheidung vom 7.12.2017 stellt das Finanzgericht Baden-Württemberg
fest, dass das Finanzamt bei der Rückabwicklung von Bauträgerfällen
Erstattungszinsen zugunsten des Steuerpflichtigen festsetzen muss. Erfolgte
aufgrund der früheren Verwaltungsauffassung (zu unrecht) eine Erhebung
von Umsatzsteuer auf die Eingangsleistung des Bauträgers, sind darauf Erstattungszinsen
zu zahlen.
Eine (Voll-)Verzinsung ist grundsätzlich zugunsten wie auch zuungunsten
des Steuerpflichtigen vorzunehmen. Ist der Unterschiedsbetrag negativ, übersteigt
also die bisher festgesetzte die neu festgesetzte Steuer, sind zugunsten des
Steuerpflichtigen Erstattungszinsen festzusetzen. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten
des Steuerpflichtigen ist bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen.
Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer
entstanden ist. Die Vorschrift gilt für Erstattungszinsen auch dann, wenn
vor Ablauf der 15-monatigen Karenzzeit gezahlt worden ist. Wird die Steuer erst
nach Ablauf der Karenzzeit gezahlt, beginnt der Zinslauf mit dem Tag der Zahlung.
Anmerkung: Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher
Bedeutung zugelassen. Sollte der BFH der Entscheidung des FG folgen, werden
Bauträger in ähnlicher Lage mit erheblichen Erstattungszinsen rechnen
können.
Ferienjobs und Saisonarbeiter als "kurzfristige" Minijobs
"Kurzfristige Minijobs" sind begehrt bei Arbeitnehmern, insbesondere
auch bei Ferienjobbern und deren Arbeitgebern. Die Versteuerung erfolgt grundsätzlich
nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (Höhe der Steuer abhängig
von der Steuerklasse der Aushilfe). Ausnahmsweise kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer
pauschal mit 25 % des Arbeitsentgelts zzgl. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer
erheben, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Sozialversicherungsrechtlich sind sie nicht - wie die regulären Minijobs
- auf 450 € im Monat begrenzt; auf den Verdienst kommt es bei einem kurzfristigen
Minijob auch nicht an. Sie sind in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
versicherungs- und beitragsfrei.
Dafür gelten für diese Minijobber bestimmte Regeln: Ein kurzfristiger
Minijob ist (bis einschließlich 31.12.2018) von vornherein auf maximal
3 Monate begrenzt, wenn der Minijobber an mindestens 5 Tagen pro Woche arbeitet,
oder 70 Arbeitstage, wenn er regelmäßig weniger als an 5 Tagen wöchentlich
beschäftigt ist.
Verdient ein kurzfristig angestellter Minijobber monatlich über 450 €,
muss der Arbeitgeber jedoch prüfen, ob der Minijobber eventuell berufsmäßig
arbeitet. Berufsmäßig wird die Beschäftigung dann ausgeübt,
wenn sie für die Aushilfe entscheidend zum Lebensunterhalt beiträgt
und nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist.
Eine berufsmäßige Beschäftigung ist vom Arbeitgeber dann nicht
zu prüfen, wenn der Verdienst der Aushilfe 450 € monatlich nicht überschreitet.
Für diese Verdienstgrenze galt bisher, dass für befristete Beschäftigungen
bis zu einem Monat ein anteiliger Wert von 450 € zu ermitteln war. Wurde
beispielsweise ein Arbeitnehmer lediglich für 10 Tage innerhalb eines Monats
beschäftigt, ergab sich daraus eine anteilige Verdienstgrenze von (450
€ / 30 Tage x 10 Beschäftigungstage=) 150 €.
Bitte beachten Sie! Das BSG hat jetzt in seiner Entscheidung vom 5.12.2017
dazu festgelegt, dass unabhängig von der Dauer des Arbeitseinsatzes der
Aushilfe immer die monatliche Verdienstgrenze von 450 € gilt. Eine Umrechnung
für Beschäftigungszeiträume von weniger als einem Monat ist nicht
vorzunehmen. Demnach kann ein Arbeitgeber seiner Aushilfe auch für wenige
Tage bis zu 450 € zahlen und einen sozialversicherungsfreien kurzfristigen
Minijob melden.
Steuerermäßigung für Dienst- und Handwerkerleistungen außerhalb des Hauses
Nimmt ein Steuerpflichtiger sog. haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch,
kann er diese steuerlich geltend machen. Dabei ermäßigt sich die
tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um 20 %, höchstens 4.000 € im
Jahr. Das Gleiche gilt für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen
für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. In diesem
Fall reduziert sich die Steuer um 20 % der Aufwendungen, höchstens jedoch
um 1.200 € im Jahr. Die Ermäßigung gilt hier nur für Arbeitskosten.
Eine Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen in einem in der Europäischen
Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen
erbracht werden. Dabei ist der Begriff "im Haushalt" nach Auffassung
des Finanzgerichts (FG) Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 27.7.2017
räumlich-funktional auszulegen. Deshalb werden die Grenzen des Haushalts
nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Vielmehr kann
auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze
auf fremdem Grund erbracht werden, begünstigt sein. Es muss sich dabei
allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang
zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Entsprechende
Dienst- und Handwerkerleistungen sind folglich nicht nur anteilig, soweit sie
auf Privatgelände entfallen, sondern in vollem Umfang begünstigt.
Im entschiedenen Fall hat das FG die Aufwendungen für die Straßenreinigung
als haushaltsnahe Dienstleitungen und für die Reparatur eines Hoftores
als Handwerkerleistungen zugelassen. Das Hoftor wurde ausgebaut, in der Werkstatt
des Tischlers repariert und sodann wieder eingebaut. Nach der bisherigen Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs, der sich das FG hier anschloss, ist es ausreichend, wenn
der Leistungserfolg in der Wohnung des Steuerpflichtigen eintritt.
Anmerkung: Zu der Entscheidung wurde Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt,
die dort unter dem Aktenzeichen VI R 4/18 anhängig ist. Betroffene Steuerpflichtige
können gegen abschlägige Bescheide Einspruch einlegen und das Ruhen
des Verfahrens bis zu einer endgültigen Entscheidung durch den BFH beantragen.
Rechtsanwaltskammer zum Ausschluss des Werbungskostenabzugs für Berufsausbildungskosten
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung
oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt,
sind keine Werbungskosten, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium
nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Sie sind bis
zu 6.000 € jährlich als Sonderausgaben abzugsfähig.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen für die Ausbildung
zu einem Beruf jedoch als notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende
Berufstätigkeit beruflich veranlasst und demgemäß auch als Werbungskosten
einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen, denn sie dient der zukünftigen
Erzielung einkommensteuerpflichtiger Einkünfte. Der Sonderausgabenabzug
bleibt bei Auszubildenden und Studenten nach seiner Grundkonzeption wirkungslos,
weil gerade sie typischerweise in den Zeiträumen, in denen ihnen Berufsausbildungskosten
entstehen, noch keine eigenen Einkünfte erzielen. Der Sonderausgabenabzug
geht daher ins Leere; er berechtigt im Gegensatz zum Werbungskostenabzug auch
nicht zu Verlustfeststellungen.
Der BFH hat dem Bundesverfassungsgericht deshalb die Frage vorgelegt, ob es
mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für
seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich
eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung
oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.
Auf Anfrage des BVerfG hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) im April 2018
zu der Frage Stellung genommen, ob die Regelung im Einkommensteuergesetz mit
dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit nach dieser Vorschrift Aufwendungen für
eine erstmalige Berufsausbildung bzw. ein erstmaliges Studium nicht als Werbungskosten
zu berücksichtigen sind. Nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer
verdient die Einschätzung des BFH Zustimmung.
Bitte beachten Sie! Betroffene Steuerpflichtige sollten auf jeden Fall
die Kosten ihrer Erstausbildung bzw. ihres Erststudiums auch dann steuerlich
geltend machen, wenn sie vor Beginn der Ausbildung oder des Studiums keine Erstausbildung
absolviert haben. Die Kosten der Ausbildung oder des Studiums kann durch die
Abgabe einer Einkommensteuererklärung bzw. durch einen Antrag auf Feststellung
des verbleibenden Verlustvortrags geltend gemacht werden. Die Berücksichtigung
der Ausbildungskosten als Werbungskosten können - noch nicht bestandskräftig
Veranlagte - noch bis zum 31.12.2018 für die Jahre ab 2014 beantragen.
Die Verlustfeststellung kann drei Jahre weiter gehen.
Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug bei einem Auslandsstudium
Nach Abschluss einer Erstausbildung können Aufwendungen für eine
zweite Ausbildung (Studium oder Berufsausbildung) grundsätzlich als Werbungskosten
abgezogen werden. Voraussetzung für den Abzug der Wohnungskosten sowie
der Verpflegungsmehraufwendungen in Bezug auf die Auslandsaufenthalte ist aber,
dass die Voraussetzungen einer sog. doppelten Haushaltsführung vorliegen.
Dies ist der Fall, wenn Steuerpflichtige außerhalb des Ortes ihrer ersten
Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhalten und auch am Ort
der ersten Tätigkeitsstätte wohnen.
In einem vom Finanzgericht Münster (FG) am 24.1.2018 entschiedenen Fall
absolvierte eine Studentin einen Bachelorstudiengang und in dessen Rahmen zwei
Auslandssemester und ein Auslandspraxissemester. Während der Auslandsaufenthalte
blieb sie an ihrer inländischen Fachhochschule eingeschrieben und besuchte
einmal pro Monat ihre Eltern. In ihrer Einkommensteuererklärung machte
sie die Aufwendungen für Wohnung und Verpflegung während der Auslandsaufenthalte
als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte den Werbungskostenabzug nicht
an. Dem folgte auch das FG mit folgender Begründung:
Die erste Tätigkeitsstätte der Studentin hat während der Aufenthalte
im Ausland und nicht mehr an der inländischen FH gelegen. Eine Universität
ist nicht nur im Fall eines vollständigen Auslandsstudiums, sondern auch
im Fall eines Auslandssemesters als erste Tätigkeitsstätte des Studenten
anzusehen. Im Ausland hat sich auch der einzige eigene Hausstand befunden, da
die reinen Besuchsaufenthalte in der Wohnung der Eltern keinen eigenen Hausstand
begründen.
Anmerkung: Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage hat
das FG die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Entschädigung wegen Vereitelung einer gebuchten Kreuzfahrt
In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) am 29.5.2018 entschiedenen Fall verlangte
ein Ehepaar aufgrund einer von einem Reiseveranstalter kurzfristig abgesagten
Reise (Karibikkreuzfahrt) von diesem die Rückerstattung des Reisepreises,
die Erstattung der Mehrkosten der Ersatzreise und Schadensersatz wegen vertaner
Urlaubszeit in Höhe des vollen Reisepreises (hier: ca. 5.000 €). Als
Ersatz hatte das Ehepaar eine Reise mit einem Mietwagen durch Florida unternommen.
Die BGH-Richter kamen jedoch zu dem Entschluss, dass bei einer ausgefallenen
Reise nicht stets eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises
als angemessen anzusehen ist. Wird dagegen die Reise wegen Mängeln der
Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt, dass der Erfolg
der Reise (nahezu) vollständig verfehlt wurde, ist regelmäßig
eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises angemessen.
Die Beeinträchtigung kann bei groben Mängeln der Reiseleistung erheblich
größer sein, als wenn die Reiseleistung bei einer Vereitelung der
Reise überhaupt nicht erbracht wird. Da maßgeblich auf den dem Reisenden
durch die Vereitelung der Reise entgangenen Nutzen abzustellen ist, ist es für
die Höhe der Entschädigung auch unerheblich, wie der Reisende im Falle
einer vereitelten Reise die vorgesehene Reisezeit verbracht hat.
Im entschiedenen Fall war die Entschädigung mit etwa 73 % des Reisepreises
zu bemessen. Mit dem völligen Ausfall der Reise wurden zwar die Erwartungen
der Reisenden enttäuscht, sie konnten aber damit über ihre Zeit frei
verfügen.
Verspätetes Einfinden bei der Sicherheitskontrolle - Flugzeug verpasst
In einem Fall aus der Praxis begab sich eine Familie gegen 4.00 Uhr am Flughafen
zum Sicherheitskontrollpunkt in einem Terminal des Flughafens Frankfurt am Main,
um eine Urlaubsreise anzutreten. Der planmäßige Abflug war um 4.55
Uhr. Bei der Röntgenkontrolle des Handgepäcks hatte das Sicherheitspersonal
den Verdacht, dass sich darin eine Bombe, Sprengstoff oder Sprengstoffspuren
befanden. Das Gepäckstück wurde erneut kontrolliert und im Röntgentunnel
vor- und zurückgefahren. Als sich herausstellte, dass der Verdacht unbegründet
war, durfte die Familie die Sicherheitskontrolle um 4.40 Uhr passieren. Zu diesem
Zeitpunkt war das "Boarding" (Start: 4.30 Uhr) für den gebuchten
Flug bereits abgeschlossen und das Flugzeug befand sich auf dem Rollfeld. Der
Mann verlangte nun die Erstattung der Aufwendungen für den Kauf von Ersatztickets.
Der Bundesgerichtshof entschied dazu mit Urteil vom 14.12.2017, dass die Familie
keinen Erstattungsanspruch hat. Jeder Passagier muss einen ausreichenden "Zeitpuffer"
für die Sicherheitskontrollen am Flughafen einkalkulieren, da diese von
ihm und den Sicherheitsmitarbeitern nicht vollständig beeinflussbaren Betriebsabläufe
einen erheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen können. Hierauf hat er sich
einzustellen.
Derjenige, der erst eine knappe Stunde vor dem Abflug und eine halbe Stunde
vor dem "Boarding" bei der Sicherheitskontrolle eintrifft, begibt
sich in die von vornherein vermeidbare Gefahr, infolge einer sachgemäß
verlaufenden Handgepäckkontrolle seinen Flug zu verpassen. Der für
diese Kontrolle dann noch zur Verfügung stehende Zeitraum ist üblicherweise
äußerst knapp bemessen und mit unnötiger Verspätungsgefahr
verbunden. Verwirklicht sich diese Gefahr, so hat der Passagier die hieraus
folgenden Nachteile zu tragen, da er die Gefahrenlage und das mit ihr verbundene
Verspätungsrisiko maßgeblich mit geschaffen hat.
Rückabwicklung eines Kaufvertrags im Wege des "großen Schadensersatzes"
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch kann der Käufer einer mangelhaften
Sache statt zurückzutreten den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber
dem Verkäufer mindern. Damit soll dem möglichen Käuferinteresse
Rechnung getragen werden, die mangelhafte Sache zu behalten und (statt den Kaufvertrag
rückabzuwickeln) durch Herabsetzung des Kaufpreis eine angemessene Balance
zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherzustellen. Da es sich bei der Minderung
um ein Gestaltungsrecht handelt, mit welchem der Käufer durch einseitiges
Rechtsgeschäft eine Änderung des Vertragsverhältnisses unmittelbar
herbeizuführen vermag, ist dieser ab Eintritt der besagten Gestaltungswirkung
(Herabsetzung des Kaufpreises) an die von ihm erklärte Minderung gebunden.
Aufgrund dieser Regelung kamen die Richter des Bundesgerichtshofs zu der Entscheidung,
dass es einem Käufer verwehrt ist, im Anschluss an eine von ihm gegenüber
dem Verkäufer bereits wirksam erklärte Minderung des Kaufpreises unter
Berufung auf denselben Mangel anstelle oder neben der Minderung sog. "großen
Schadensersatz" und damit die Rückabwicklung des Kaufvertrags zu verlangen.
30 % Rabatt auf (fast) alles
Ein Möbelmarkt darf nicht damit werben, er gewähre 30 % Rabatt auf
fast alles, wenn in einer Anmerkung zu der Werbung die Produkte von 40 Herstellern
von dem Rabatt ausgenommen sind. Dies haben die Richter des Oberlandesgerichts
Köln (OLG) mit ihrem Urteil vom 20.4.2018 entschieden.
Der Möbelmarkt hatte in einem Prospekt damit geworben "30 % Rabatt
auf fast alles" zu gewähren, wobei sich das Wort "fast"
senkrecht gedruckt im Knick des gefalteten Prospektes befand und deutlich kleiner
und dünner gestaltet war als der Rest des Textes. Ein irreführender
Eindruck entstand durch die zugehörige Sprechblase, in der ausgeführt
wurde, den Rabatt gebe es "auch auf Polstermöbel, Wohnwände,
Küchen, Schlafzimmer, Stühle, Tische
[es folgen weitere Produktkategorien]
einfach auf fast alles". Diese Aufzählung konnte der Verbraucher
nur dahin verstehen, dass der Rabatt uneingeschränkt gelten sollte mit
Ausnahme der in der Aufzählung nicht genannten Produktkategorien wie z.
B. Gartenmöbel.
Tatsächlich ergab sich aber aus einer Anmerkung zu der Werbung, dass es
zahlreiche weitere Einschränkungen des Rabatts gab. Zu diesen Ausnahmen
gehörten nicht nur bereits reduzierte Ware und alle Angebote aus den Prospekten,
Mailings und Anzeigen des Möbelmarktes, sondern es waren auch die Artikel
von 40 namentlich genannten Herstellern von dem Rabatt ausgenommen worden. Dazu
führte das OLG aus, dass die Angaben zum Preisnachlass im Blickfang der
Werbung objektiv falsch im Sinne einer sog. dreisten Lüge waren, d. h.
einer objektiven Unrichtigkeit, für die kein vernünftiger Anlass bestand.
Eine solche Falschangabe kann auch nicht durch einen erläuternden Zusatz
richtiggestellt werden.
Sanierungspflichten bei einer Wohnungs- und Teileigentumsgemeinschaft
Ein 1890 errichtetes Gebäude wurde 1986 in zwölf Wohnungen und drei
Teileigentumseinheiten im Souterrain (Läden und Büros) aufgeteilt.
Hier befanden sich eine Naturheilpraxis, eine Künstleragentur und eine
Kommunikationsagentur. Die Wände dieser Einheiten wiesen Durchfeuchtungen
auf. Zwei in Auftrag gegebene Gutachten ergaben dieselben Schadensursachen,
nämlich eine fehlende außenseitige Sockelabdichtung, eine fehlende
Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze. In der Eigentümerversammlung
wurde ein gestellter Antrag der "Souterrainbewohner" auf Beseitigung
der Feuchtigkeitsschäden abgelehnt. Auch der weitere Antrag, wonach die
Instandsetzung durch Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk sowie Aufbringung
einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden erfolgen
soll, fand keine Mehrheit.
Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil vom 4.5.2018 dazu, dass hier eine
Sanierungspflicht der Wohnungseigentümer vorliegt. Grundsätzlich muss
das gemeinschaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand
sein, dass das Sondereigentum zu dem in der Teilungserklärung vorgesehenen
Zweck genutzt werden kann. Weist das Gemeinschaftseigentum gravierende bauliche
Mängel auf, die die zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten
erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen, ist eine sofortige
Instandsetzung zwingend erforderlich.
Um solche Mängel ging es hier; die Innen- und Außenwände der
Teileigentumseinheiten sind massiv durchfeuchtet. Die Ursache liegt in einer
fehlenden Abdichtung des Gebäudes und damit im Gemeinschaftseigentum; daher
ist die Sanierung Aufgabe aller Wohnungseigentümer. Da die Teileigentumseinheiten
nach der Teilungserklärung als Büro bzw. Laden genutzt werden dürfen,
müssen sie ebenso wie Wohnungen grundsätzlich dazu geeignet sein,
als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen.
Eltern müssen keine Zweitausbildung bezahlen
Grundsätzlich schulden Eltern ihrem Kind eine Berufsausbildung, die der
Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten
Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der Eltern bewegt. Haben Eltern ihrem Kind eine solche
erste Berufsausbildung gewährt, sind sie nicht mehr verpflichtet, die Kosten
einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hiervon sind nur unter besonderen
Umständen gegeben.
Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere
Ausbildung als eine im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der
Erstausbildung stehende Weiterbildung anzusehen und von vornherein angestrebt
gewesen ist oder wenn während der ersten Ausbildung eine besondere, die
Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wird.
In einem vom Oberlandesgericht Hamm (OLG) am 27.4.2018 entschiedenen Fall hatte
die Tochter nach der mittleren Reife die Schule verlassen und den Beruf der
Bühnentänzerin erlernt. Eine Anstellung als Bühnentänzerin
bekam sie jedoch nicht. Daraufhin erwarb das Mädchen die allgemeine Hochschulreife
und begann 2015/16 Psychologie zu studieren. Für dieses Studium erhielt
sie die BAföG-Leistungen.
Die Richter des OLG kamen zu dem Entschluss, dass die Eltern für das Hochschulstudium
ihrer Tochter keinen Ausbildungsunterhalt schulden und daher dem Land die BAföG-Leistungen
nicht zu erstatten haben.
Überdurchschnittliche Arbeitszeit - kein Ausgleich durch Urlaubs- und Feiertage
Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.5.2018 dürfen Urlaubstage,
auch wenn sie über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, bei der
Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz
nicht als Ausgleichstage herangezogen werden.
Aus dem systematischen Zusammenhang des Arbeitszeitgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes
ergibt sich, dass als Ausgleichstage nur Tage dienen können, an denen der
Arbeitnehmer nicht schon wegen Urlaubsgewährung von der Arbeitspflicht
freigestellt ist. Ebenso wenig dürfen gesetzliche Feiertage, die auf einen
Werktag fallen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit
als Ausgleichstage herangezogen werden. Gesetzliche Feiertage sind keine Werktage
und grundsätzlich beschäftigungsfrei. Daher werden sie bei der Berechnung
der werktäglichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht
in den Ausgleich einbezogen.
Zahnarztpraxis ist keine "Praxisklinik"
Eine auf ambulante Behandlungen ausgerichtete Zahnarztpraxis, die ihren Patienten
keine Möglichkeit zu einer auch nur vorübergehenden stationären
Aufnahme anbietet, kann nicht als "Praxisklinik" beworben werden.
Das hat das Oberlandesgericht Hamm am 27.2.2018 entschieden.
In dem vorliegenden Fall bezeichnete ein Zahnarzt in der geschäftlichen
Werbung seine Praxis als "Praxisklinik" (z. B. auf seiner Homepage),
ohne in seiner Praxis stationäre Betreuungs- und Versorgungsleistungen
anzubieten.
Die in Rede stehende Werbung richte sich an jeden potenziellen Patienten des
Zahnarztes, sodass für das Begriffsverständnis die Auffassung des
durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers maßgeblich
ist. Ein Verbraucher erwartet, dass die vorgehaltene medizinische Versorgung
einer "Praxisklinik" über das Angebot einer reinen Praxis hinausgeht.
Denn nur so wäre die Bezeichnung "Klinik" überhaupt gerechtfertigt.
Der Begriff der "Klinik" steht als Synonym für "Krankenhaus"
und assoziiert neben operativen Eingriffen auch eine stationäre Behandlung.
Beschäftigung eines Apothekers - Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit seinem Urteil vom 22.3.2018 entschieden,
dass ein Apotheker nicht nur dann von der Versicherungspflicht befreit ist,
wenn er tatsächlich als approbierter Apotheker tätig ist. Ausreichend
ist auch eine andere, nicht berufsfremde Tätigkeit.
In dem entschiedenen Fall war ein approbierter Apotheker seit 2009 als Verantwortlicher
für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen in einem Unternehmen
beschäftigt, das Konzepte für die Reinigungs- und Sterilisationsprozessüberwachung
zur Aufbereitung von Medizinprodukten erarbeitet. Seinen im Jahr 2012 vorsorglich
gestellten Antrag, ihn von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien,
hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund abgelehnt.
In ihrem Urteil führten die BSG-Richter aus, dass der Apotheker eine der
Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegende Beschäftigung
ausübt. Ob es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, die eine Approbation
als Apotheker voraussetzt, ist nicht entscheidend.
Fälligkeitstermine - Juli 2018
- Umsatzsteuer (mtl.), Lohn- u. Kirchenlohnsteuer, Soli.-Zuschlag (mtl.): 11.7.2018
- Sozialversicherungsbeiträge: 27.7.2018
Verzugszins / Basiszins
-
Verzugszinssatz ab 1.1.2002: (§ 288 BGB)
Rechtsgeschäfte mit Verbrauchern:
Basiszinssatz + 5-%-Punkte
Rechtsgeschäfte mit Nichtverbrauchern (abgeschlossen bis 28.7.2014):
Basiszinssatz + 8-%-Punkte
Rechtsgeschäfte mit Nichtverbrauchern (abgeschlossen ab 29.7.2014):
Basiszinssatz + 9-%-Punkte
zzgl. 40 € Pauschale - Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB
maßgeblich für die Berechnung von Verzugszinsen
seit 01.07.2016 = - 0,88 %
01.01.2016 - 30.06.2016 - 0,83 %
01.07.2015 - 31.12.2015 - 0,83 %
01.01.2015 - 30.06.2015 - 0,83 %
01.07.2014 - 31.12.2014 - 0,73 %
01.01.2014 - 30.06.2014 - 0,63 %
01.07.2013 - 31.12.2013 - 0,38 %
http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Bundesbank/Zinssaetze/basiszinssatz.html
Eventuelle Änderungen, die nach Ausarbeitung dieses Informationsschreibens erfolgen, können erst in der nächsten Ausgabe berücksichtigt werden!
Verbraucherpreisindex
Verbraucherpreisindex (2010 = 100)
2018
Mai 111,2
April 110,7
März 110,7
Februar 110,3
Januar 109,8
2017
Dezember 110,6
November 109,9
Oktober 109,6
September 109,6
August 109,5
Juli 109,4
Juni 109,0
Mai 108,8
April 109,0
Ältere Verbraucherpreisindizes finden Sie im Internet unter:
http://www.destatis.de - Konjunkturindikatoren - Verbraucherpreise
PDF-Version (das wichtigste) des Mandantenbriefes herunterladen.
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